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Breslau - Eine Busreise in eine alte, neue Stadt   

Das Chemnitzer Busreiseunternehmen Voit-Reisen bietet Reisen in den Osten an. Wer reist aber heute noch in den Osten? Wo wir doch verwöhnt sind von den Alpen, Spanien, der Türkei und den Paradiesen mit Mallorca und den Canarischen Inseln.

Es sind Leute, die vor und nach 1945 unter unsäglichen Entbehrungen und Qualen ihre Heimat verlassen mussten und jetzt die Möglichkeit haben, ihre Erinnerungen auszuleben, noch einmal jung zu sein. Traurigkeit und Freude sind dabei zu erleben. Ich, der das hier schreibe, bin erst 1948 geboren, aber des Kind eines Breslauers. Ich wollte wieder einmal die Stadt meines Vaters erleben, der die Stadt und seine Angehörigen mit 20 Jahren verlassen musste, eingezogen in einen sinnlosen Krieg.

Ich war mit meinem Vater Anfang der 70iger Jahre schon einmal in Breslau, er damals das erste Mal nach dem Krieg. Breslau war eine sozialistische Stadt, vieles wiederaufgebaut, aber richtig gelebt hat die Stadt nicht. Mein Vater fand die Häuser wieder, wo er aufgewachsen war, von wo er in die Schule ging. Vieles war grau, von den vor dem Krieg grünen Hinterhöfen keine Spur. Trotzdem hatte für uns damalige DDR-Bürger auch Breslau schon ein Flair von Großstadt. Musik, Kunst, da gab es in Polen kein Tabu vor dem Westen.

Heute schreiben wir das Jahr 2000. Die, die damals mit 20 Jahren Breslau verlassen mussten, die sind heute 75. Wie sehen deren Erinnerungen aus? Aus Erfahrung wird in den Erinnerungen nur das Gute, das Schöne bewahrt. Das Grauen verblasst, wird verdrängt. An so einem Ort wie Breslau wird natürlich auch das wieder intensiv in das Gedächtnis zurückgerufen. Dabei kommt es aber häufig vor, dass die kausalen Zusammenhänge, von deutscher Seite aus Breslau als Festung auszubauen und zu verteidigen, und auf der Gegenseite der Ansturm der Roten Armee, sehr in den Erinnerungen vermischt werden. Wer hat eigentlich Wem?

Über den Untergang Breslaus gab es im Buchhandel der DDR ein Buch mit dem Titel "Festung Breslau" - in den Berichten eines Pfarrers. Dieses Tagebuch des Pfarrers umfasst den Zeitraum vom 22. Januar bis 6. Mai 1945. Erschienen ist das Buch im Union Verlag Berlin.

Wie sieht es nun heute in Breslau aus? Ich war mit meinen Erfahrungen aus den siebziger Jahren und mit den heutigen Medienbildern voreingenommen, eher skeptisch: aber Breslau lebt!

Freitag früh begann die Reise - in strömenden Regen. Am Dresdner Tor wurden die Reisegäste aus der Dresdner Umgebung aufgenommen. Wir waren komplett. Gegen Mittag erreichten wir die deutsch-polnische Grenze in Görlitz. Die Kontrolle zog sich etwas hin, wir waren zwar der einzige Bus, aber wir durften warten. Anschließend eine kleine Pause an einer Tankstelle, unser Busfahrer Dietmar sorgte für die Verpflegung. Weiter ging die Fahrt in Richtung Breslau, nicht direkt auf der Autobahn, sondern am Rand des Iser- und Riesengebirges entlang. Hirschberg streiften wir, in Schweidnitz machten wir Station. Wir hielten an der Schweidnitzer Kirche, von außen ein Fachwerkbau, innen ganz aus Holz. Reich und edel die Ausstattung. Die Kirche wird zur Zeit restauriert.

Gegen 18.00 Uhr erreichten wir den Stadtrand von Breslau. Bis zu unserem Hotel, dem Europeski, fast gegenüber dem Hauptbahnhof, war es zwar nicht weit, aber wir mussten noch unter den Bahnbrücken durch. Und deren lichte Höhe reichte nicht für unserem komfortablen Reisebus. Und dann das Halten vor dem Hotel, kein Parkplatz! Breslau ist eben eine lebende Stadt, mit viel Verkehr. Beim Aussteigen wurden wir von Taxifahrern umringt, die ein Geschäft witterten. Durch unsere Reiseleitung waren wir aber vor deren Aufdringlichkeit schon vorgewarnt und lehnten ihre Angebote erst einmal höflich ab. Für diese Leute bedeuten Fahrten für ausländische Touristen sehr viel, sie befinden sich am Existenzminimum.
Die Verteilung der Zimmer war top organisiert, innerhalb von wenigen Minuten hatten wir unsere Schlüssel. Gegen 19:00 Uhr fanden wir uns dann im Hotelrestaurant zum Abendessen ein. Das Essen war gut, ein komplettes Menü. Vorsuppe, Fischfilet mit Salzkartoffeln (bestreut mit Dill, schlesische Art), Dessert. Und das Bier schmeckt auch gut. 0,5l kosten 3,00 DM.
Das Hotelzimmer ist geräumig, mit Dusche und WC. Und es ist sauber.
Wir nutzten das schöne Wetter und gingen zum Ring, dort, wo sich das Rathaus befindet. Es war gegen 20:00 Uhr, es waren noch sehr viele Leute unterwegs. Rund um das Rathaus fand an diesem Wochenende ein internationales Festival der Straßenkünstler statt. Aus aller Welt waren sie angereist, aus Australien, England, Grusinien. Wir setzten uns noch in ein Straßencafé und genossen das bunte Treiben.
Das hatten wir in Breslau nicht erwartet.

Samstag

Nach dem reichhaltigen Frühstück, sogar der Kaffee schmeckte, trafen wir uns zur Stadtrundfahrt mit der deutschsprechenden polnischen Reiseführerin Christina. In 4 Stunden lernten wir das alte und neue Breslau kennen.
Unsere Rundfahrt begann mit der Fahrt zur Jahrhunderthalle. Wir besichtigten dieses imposante Bauwerk.

Danach führte uns die Fahrt auf die Dominsel. Wir spazierten zur Kirche Maria auf dem Sande, gingen über die Dombrücke zum Dom, durften dort sogar in die Kathedralen der Heiligen Elisabeth.

Vor der Kreuzkirche erwartete uns dann wieder unser Bus. Dieser fuhr uns dann zur Schweidnitzer Straße. Von dort gingen wir zu Fuß zum Ring, dem Marktplatz von Breslau mit dem Rathaus. Wir sahen die stolzen, neu renovierten Bürgerhäuser, die Elisabethkirche mit den beiden Häusern Hänsel und Gretel.

Natürlich besuchten wir auch die Universität mit der berühmten Aula.

Am Nachmittag fuhren wir mit dem Bus zur Bootsstation und unternahmen eine Bootsfahrt auf der Oder. Die führte uns bis zur Dominsel, wir sahen sie aus einer ganz anderen Perspektive.

Der Bus setzte uns dann noch in der Stadt ab, so dass wir von der Universität über den Ring zu unserem Hotel liefen.
Nach dem Abendessen im Hotel gingen wir wieder zum Rathaus. Heute war noch mehr los als am Freitag. Wir hatten sogar zu tun, einen Platz in einem der vielen Straßenrestaurants zu bekommen. Wir entdeckten unseren Busfahrer Dietmar und setzten uns zu ihm. Es wurde eine unterhaltsame Stunde. Der Duft vom Grill stieg uns in die Nase, es gab eine feine Grillwurst mit einer dicken Scheibe von frischem Brot, bestrichen mit Knoblauchbutter - einfach köstlich.

Sonntag

Dieser Tag stand uns heute zur freien Verfügung. Viele Reisegäste fuhren mit dem Taxi zu ihren früheren Wohngebiet. Wir wollten auch sehen, wo mein Vater gewohnt hat. Er hatte uns ja alles erklärt und auf der Karte gezeigt. Nach dem umfangreichen Frühstück wollten wir losgehen, aber es regnete in Strömen. Gegen 11 Uhr ließ der Regen nach. Neugierig waren wir auf den Markt, der Sonntags geöffnet ist. Er befindet sich auf dem Gelände des stillgelegten Freiburger Bahnhofes. Wer einen Polenmarkt kennt, weiß, was es dort gibt. Trotzdem waren dort sehr viele Leute. Inzwischen war es Mittag, am Ring gingen wir ins Dom Polski essen. Sehr fein, ein komplettes Menü. Schlesische Suppe, Braten, schlesische Klöße (15 Stück - aber keine Angst, schlesische Klöße sind nur walnussgroß). Dann begannen wir unsere Stadtwanderung mit der Dominsel, von dort zur Friedensburgstraße. Vom Haus Nummer 12, wo mein Vater wohnte, existiert nichts mehr, nur noch ein Haus mit der Nummer 1 steht noch. Dieses Gebiet ist im Stadtplan auch mit 100% Zerstörung angegeben.

Inzwischen regnete es wieder in Strömen, wir waren aber nun mal naß, so dass wir unsere Stadtwanderung fortsetzten. Wir gingen nun Richtung Oder, verliefen uns aber total. Bald bemerkten wir unseren Irrtum und gingen wieder zum Gneisenauplatz.

Von dort fanden wir dann auch die Trebnitzer Straße, nach der Bahnunterführung waren wir an der Kletschkauer Straße. Hier an der Ecke steht noch das backsteinerne Gebäude der Schule. In der Kletschkauer Straße steht auch noch das Haus, wo er wohnte. Gegenüber war und ist der Knast von Breslau. Kurze Zeit wohnte er auf der Linnestraße, nicht weit von der Kletschkauer. Die Häuser stehen auch noch, die Fassade ist ganz passabel, aber im ehemals grünen Innenhof sieht es gar nicht mehr grün aus.

Vollkommen durchnässt kamen wir im Hotel an. Geschafft, pflastermüde. Den Abend verbrachten wir dann im Hotel - immer noch Dauerregen.

Montag

Blick aus dem Fenster: Regen. Heute sind die Ausflüge in die Umgebung geplant. Alle hoffen natürlich, dass der Regen nachlässt. Wir fuhren aus der Stadt hinaus, eigentlich wollten wir nach Oels.

Durch den Regen wurde mit unserem Einverständnis umdisponiert, wir fuhren durch die herrliche schlesische Landschaft, dem Katzengebirge, nach Trebnitz. Wir besuchten das Kloster, hier ist die heilige Hedwig begraben. Der Pater erzählte uns viel über die Geschichte des Klosters und warum die heilige Hedwig heute noch so verehrt wird. Vieles stimmte uns nachdenklich. Das Kloster wurde nicht zerstört, steht aber heute Mitten in einem Neubaugebiet. Rings um das Kloster wurde alles zerstört, von hier aus beschoss die Rote Armee Breslau.

Weiter ging die Fahrt nach Leubus. Hier steht ein gewaltiges Kloster, das zweitgrößte Europas, mit einem herrlichen Fürstensaal. Das Kloster wird mit EU-Mitteln wieder restauriert, der Fürstensaal ist fertiggestellt.

Der Regen hat aufgehört, wir fuhren nach Liegnitz, eine alte Garnisonsstadt. Hier war mein Vater im Lazarett. Es ist ein schönes Städtchen, die "Liegnitzer Gurken" waren damals genauso bekannt wie die "Spreewälder".

Trotz des Regens war es eine schöne Rundreise durch Schlesien geworden.

Nach dem Abendessen im Hotel gingen wir noch einmal in das Stadtzentrum, zum Ring. Inmitten im Geviert am Rathaus befinden sich sehr viele Gaststätten, wir gingen einfach in eine, nur um den Tag ausklingen zu lassen. Es war eine sehr schön eingerichtete Fischgaststätte, in den Sitznischen waren Bullaugen, die Fischaquarien waren. Wir mussten natürlich etwas probieren, die Speisekarte war zu verführerisch. Die Fischsuppe schmeckte ausgezeichnet, Ulla bestellte auch noch geräucherten Karpfen. Dazu gab es französischen Wein. Ein sehr schöner Abend.

Dienstag - Rückfahrt

8:30 Uhr Treff vor dem Hotel.
Zurück ging es über die Autobahn. Ein willkommener Halt war in Bunzlau. Bunzlau ist ja durch seine Keramik bekannt. Wir hielten direkt an der Töpferei, unser Reisebus brachte einen guten Umsatz.

Die Grenze war schnell erreicht, hier war diesmal auch eine zügige Abfertigung.
Am Nachmittag kamen wir in Chemnitz an - eine schöne, interessante Reise war zu Ende.

Es war eine Reise, nicht nur zur Unterhaltung, zum Entspannen, sondern auch eine Reise zu einer neuen Verständigung mit unserem Nachbarland, zum Verstehen der Vergangenheit.

Stadtplan von Breslau (1945):

Mit Voit-Reisen nach Breslau - Juli 2000

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